Relaunch bonn.de – SEO-Absturz für 440.000,-€

Zum 1. April 2019 hatte die Stadt Bonn Ihre Webseite relaunched. Die städtische Webseite ist nun endlich mobilfähig, die etwa 40.000 Seiten des alten Internetauftrittes wurden auf ca. 20.000 Seiten zusammengedampft. Rund 440.000,-€ hat der Relaunch gekostet. Technisch umgesetzt wurde die Webseite von der Firma Sitepark aus Münster, beraten wurde die Stadtverwaltung von der Firma City & Bits GmbH aus Berlin

Der Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan erklärt dazu in einer Pressemeldung die Bedeutung des Relaunch für die „Smart City Bonn“:

www.bonn.de ist ein Aushängeschild der Stadtverwaltung und ein wichtiger Baustein Bonns zur Smart City.

https://www.kommune21.de

Monika Hörig, Leiterin des Presseamts, das die Federführung für das Projekt übernommen hatte, äußert sich ebenfalls zum Relaunch:

Wir betrachten die neuen Internet-Seiten als elektronische Visitenkarte der Stadt.

https://www.kommune21.de

Schlechte Kennzahlen zur Performance des Relaunches

Server Fehler 404 - Nicht gefunden
Server Fehler 404 – Nicht gefunden

In der Woche nach dem Relaunch brach der Sichtbarkeitsindex (Sistrix) von bonn.de um 27% ein. Sucht man nach den Kontaktdaten einzelner städtischer Mitarbeiter via Google, erhielt man nun in den meisten Fällen nur noch die 404-Fehlermeldung – „Webseite konnte nicht gefunden werden“. Wäre die Stadt Bonn ein Unternehmen und würde Umsätze mit der Webseite generieren, würde dies einen Umsatzeinbruch von schätzungsweise ebenfalls 27% bedeuten. Der Online Marketing Manager eines solchen Firma käme in ernsthafte Erklärungsnöte.

Ein solcher Einbruch der Sichtbarkeit lässt sich vermeiden, indem Redirects verwendet werden.

Wichtige Redirects fehlen

Redirects sind nichts anderes, als Weiterleitungen, im Grunde in Form einer Textdatei. Dazu werden Inhalte einer alten Version einer Webseite mit Inhalten der neuen Version einer Webseite abgeglichen. Anhand dieser Redirects-Datei werden dann User, die nach Inhalten unter einer alten Internetadresse (zum Beispiel https://www.bonn.de/buergerdienste/ansprechpartner.htlm) suchen, automatisch an die neue Internetadresse der neuen Webseite (zum Beispiel https://www.bonn.de/buergerservice/kontakt.htlm) weitergeleitet. Es handelt sich bei den Redirects als um nichts anderes, als einen Index, der die „alten“ Inhalte und deren Verzeichnisstruktur mit den „neuen“ Inhalten und Verzeichnisstrukturen abgleicht und die User dann auf den „neuen Ort“ auf dem neuen Server schickt.

Bei 40.000 (bzw. 20.000) Unterseiten einer Webseite, wie das unter bonn.de der Fall ist, wäre die händische Erstellung von Redirects eine wahre Sisyphos-Arbeit, mit der sich Mitarbeiter auf Jahre hinaus beschäftigen lassen. Angeblich wurden für den Webseitenrelaunch der Stadt Bonn auch Redirects erstellt, so schreibt die Verwaltung in einer offiziellen Stellungnahme:

Zum Start der neuen bonn.de sind Redirects zu den Top-100-Seiten sowie weiteren 60 thematischen Inhaltsseiten eingerichtet worden, in den darauffolgenden Tagen wurden weitere 340Redirectseingerichtet, so dass nun Weiterleitungen zu 500 Seiten der bonn.de bestehen. Darüber hinaus sind über die Search-Konsole von Google Nachjustierungen sowie SEO-Anpassungen vorgenommen worden.

https://www2.bonn.de/bo_ris/daten/o/pdf/19/1911072ST2.pdf
Sichbarkeitsindex Bürgerdienste
Sichbarkeitsindex im Bereich „Bürgerdienste“

In der Realität sind jedoch wichtige Seiten nicht mehr via Google-Link zu finden, bzw. die Webseite der Stadt spuckt dazu nur noch Fehlermeldungen aus. So zählen (laut Analyse-Marktführer Sistrix) zum Beispiel die Kontaktadressen des Bürgeramtes zu den bislang meistgesuchten Inhalten von bonn.de. Der Google-Link auf die Bürgerservice-Seite, die bislang den weitaus höchsten Sichtbarkeitswert aufgewiesen hatte, führt nun nur noch auf eine 404-Fehlermeldung „Seite konnte nicht gefunden werden“.

Der Inhalt "Bürgerdienste"
Die „Bürgerdienste“ waren eine der mit weitem Abstand meistgesuchten Inhalte unter bonn.de

Weder ich, noch mein aktueller Arbeitgeber, die Papoo Software & Media GmbH aus Bonn, wollten diese schlechte Relaunch-Performance so stehen lassen und boten der Stadtverwaltung kostenlos unsere Eigenentwicklung zur automatisierten Erstellung von Redirects an. Schließlich hat die „Smart City“ und „Cyber Security City Bonn“ einen Ruf zu verlieren.

Umso erstaunlicher ist die offizielle Stellungnahme der Stadtverwaltung:

Das Angebot der Firma Papoomedia ist in Absprache mit dem Portal-Realisierer nicht in Anspruch genommen worden, da man sich einigwar, keine fremde bzw. zusätzlicheSoftwareauf dem Web-Server zu installieren.

https://www2.bonn.de/bo_ris/daten/o/pdf/19/1911072ST2.pdf

Erstaunlich ist dieses Statement deshalb, weil Redirects lediglich aus einer Art Textdatei bestehen, in der alte und neue Internetadressen verzeichnet werden. Dazu muss auf den Servern keinerlei Software installiert werden. Anscheinend hatte man sich nicht wirklich ernsthaft mit dem kostenlosen Angebot beschäftigt, denn für die Verwendung einer Redirect-Text-Datei muss keine Software installiert werden. Die Software, die die Inhalte abgleicht und automatisch tausende von Redirects erstellt, läuft auf einem ganz anderen Server, der mit den Servern der Stadt nichts zu tun hat.

Zudem wäre eine automatisierte 1:1-Weiterleitung in vielen Fällen nicht hilfreich, da die Inhalte für den neuen Internetauftritt thematisch neu zugeordnet worden sind.

https://www2.bonn.de/bo_ris/daten/o/pdf/19/1911072ST2.pdf

Auch hat man scheinbar nicht wirklich verstanden, wie die Erstellung von Redirects und der Abgleich von Inhalten funktioniert, denn von einer 1:1-Weiterleitung ist in den meisten Fällen von Webseiten-Relaunches gar nicht möglich und davon war auch nie die Rede. Bzw., wenn der Inhalt von zwei alten Inhaltsseiten auf einer einzigen, neuen Inhaltsseite zusammen gefasst werden, werden halt einfach zwei Redirects auf die gleiche, neue Seite angelegt. Wo ist das Problem?

Wirklich verblüfft bin ich allerdings von der Aussage, bei der händischen Erstellung von Redirects entstünden keine Kosten. Dies wäre einmalig und viele Unternehmen, die zigtausende Euros für SEO-Maßnahmen und die Erstellung von Redirects ausgeben, wären dankbar für eine derart „kostengünstige“ Erbringung einer Leistung durch ihre Mitarbeiter:

Wie unter 3. dargestellt, hat die Verwaltung bereits 500 Redirects eingerichtet. Es entstehen keine Kosten.

https://www2.bonn.de/bo_ris/daten/o/pdf/19/1911072ST2.pdf

Angesichts des Absturzes des Sichtbarkeitsindexes um 27% ist allerdings die Aussage, die „Suchergebnisse“ hätten sich in den ersten Tagen nach Liveschaltung „verbessert“, sachlich falsch. Das Gegenteil ist leider der Fall.

Da die neuen Internetseiten nach und nach von Google und anderen Suchmaschinen erkannt und in den Ergebnislisten ausgegeben werden, haben sich die Suchergebnisse bereits in den ersten Tagen nach Live-Schaltung der neuen bonn.de verbessert und werden sich auch weiterhin verbessern.

https://www2.bonn.de/bo_ris/daten/o/pdf/19/1911072ST2.pdf

Es bleibt der Eindruck: der Verwaltung fehlen sachkundige Mitarbeiter für einen Webseitenrelaunch und man gibt sich beratungsresistent, um diesen Mangel auf gar keinen Fall eingestehen zu müssen. Selbst von tausenden Fehlermeldungen wird die Welt nicht untergehen, aber beim Thema Digitalisierung genügt die Stadtverwaltung der sogenannten „Smart City“ nicht den Ansprüchen, die sie für ihren Cyber-Standort reklamiert.

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